Wie ein „schläfriger Wal, der durch einen Ozean aus Sternen gleitet“ fühlt sich die Protagonistin in Marianne Vlaschits multimedialer und multisensorischer Rauminstallation „Die Falte“. Auf ihrer Reise durch den Kosmos ist die Weltraumfahrerin mit ihrem Schiff eine Symbiose eingegangen. Noch bis Ende November ist das Weltraumgefährt in der Ausstellung „Stone Telling“ im Kunstraum Niederösterreich gelandet. Statt hartem Metall erwartet die Besucherinnen und Besucher ein weiches und sanftes Objekt, das in seinem Inneren zum Verweilen einlädt. „Alle Systeme verbinden sich, alles wie aus einem Guss“ tönt es aus dem Off.
Ein Gegensatz zu den bis in die 70er-Jahre vorherrschenden männlichen Erzählungen, die den Weltraum als einen Raum begriffen, den es zu erobern galt. Mit der zweiten Frauenbewegung beginnen sich auch in der bis dato männlich geprägten Science-Fiction-Literatur starke weibliche Stimmen herauszubilden. Zu den bekanntesten Vertreterinnen des Genres zählt die 2018 verstorbene Autorin Ursula K. Le Guin. In ihrer Tragetaschen-Theorie setzt Le Guin auf ein zyklisches Zeitgefühl anstelle eines, vergleichbar mit einer Pfeilspitze, vorwärts gerichteten Strebens. Die Tragetasche als ein Objekt des Sammelns, des Bewahrens und des friedlichen Nebeneinanders diente auch den Ausstellungskuratorinnen Andrea Lehsiak und Daniela Hahn als Inspirationsquelle. Bereits der Titel „Stone Telling“ referenziert auf das Werk der Autorin, die ihrer Protagonistin in „Always Coming Home“ jenen Namen gibt.

Neue (feministische) Zeiten

Eine Auswahl der Bücher Le Guins finden sich in der für die Dauer der Ausstellung eingerichteten Bücherecke. Anhand von neun Positionen wird in der Schau die Rezeption feministischer Science-Fiction in der Gegenwartskunst untersucht. Ausgewählt wurden Arbeiten von Künstlerinnen aus Österreich (neben Marianne Vlaschits auch Claudia Lomoschitz und Isolde Joham) über Deutschland und Ungarn (Zsófia Keresztes‘ Skulptur einer Kriegerin empfängt die BesucherInnen bereits im Eingangsbereich) bis nach Mexiko – letzteres ein Land, das seit dem 16. Jahrhundert (neo)-kolonialistischen Raubbau unterworfen ist. In einer Art Racheakt lässt Naomi Rincón Gallardo in ihrer Videoarbeit – inspiriert von den mexikanischen B und C Movies der 70er-Jahre – eine Gruppe von Dämonen Teile der ausgebeuteten Wüstenlandschaft verschlingen. Ein Beißen ohne Zähne und ein Spucken ohne Spucke, wie es im Film heißt. 

Weniger auf Stein gebissen als diesen durch ihre künstlerische Bearbeitung zum Strahlen gebracht hat hingegen Hanna Mattes. Im Zuge ihres Foto- und Filmprojekts reiste die deutsche Künstlerin durch die amerikanische Landschaft auf der Suche nach Kratern, um diese in einer späteren Serie mit in mehreren Naturhistorischen Museen der Welt vorgefundenen Meteoriten in Verbindung zu setzen – galten und gelten Meteoriten in vielen religiösen Kulturen doch als Zeichen der Veränderung. Durch Doppelbelichtungen und dem Bemalen der Negative verbindet sie das Natürliche mit dem Übernatürlichen. Ein Hinweis auf eine neue Zeit? Ein Thema – der Anbruch neuer Zeiten – das im Werk der kanadischen Künstlerin Gillian Dykeman die zentrale Rolle spielt. Mittels Zeichnungen und Videos liefert die Künstlerin eine Gebrauchsanweisung für die so genannten „Land-Art“-Portale. Einmal aktiviert versprechen diese die Entstehung eines feministischen Utopias. Wie dieses aussieht, bleibt jedoch jedem selbst überlassen sich vorzustellen.

Stone Telling
Noch bis 30. November 2019
Kunstraum Niederösterreich
Herrengasse 13, 1010 Wien
Eintritt frei!

Im Rahmen der „Vienna Art Week“ findet am Samstag, dem 16. November um 14.00 Uhr eine Kuratorenführung statt!
www.kunstraum.net

Titelbild: Marianne Vlaschits „Die Künstlerin in ihrem Atelier mit Bärentierchen © Apollonia Bitzan

Geschrieben von Sandra Schäfer